Eine historische Einordnung – 100 Jahre danach
Eröffnet wird die Vortragsreihe am 25. September durch Bildungsstadträtin Mag.a Eva Schobesberger, die als ersten Referenten Univ.-Prof. Dr. Helmut Konrad begrüßt.
Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg war geprägt von ungeheurer Beschleunigung und einer umfassenden Globalisierung. Die „Moderne“ mit all ihren Ambivalenzen hatte sich in der „Ersten“ Welt durchgesetzt. Krieg schien undenkbar, gleichzeitig wurde er als „reinigendes Gewitter“ von manchen herbeigesehnt und machte die dunkle Seite der Modernisierung schlagartig sichtbar. Die reale Erfahrung im modernen Krieg entsprach in keiner Weise den Erwartungshaltungen. Das „Zeitalter der Extreme“ wurde eingeläutet.
Vortragender: Univ.-Prof. Dr. Helmut Konrad: Studium Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, Vorstand des Instituts für Geschichte der Universität Graz.
Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg
Nach den Morden in Sarajevo stand fest, dass es Krieg geben würde.
Kaiser Franz Joseph wollte es, und in Wien rechnete man durchaus
mit der Möglichkeit eines großen Kriegs. Österreich-Ungarn war nur
deshalb nicht zur Aufgabe gezwungen, weil es immer wieder deutsche
Truppenhilfe bekam. Kaiser Franz Joseph willigte unmittelbar vor
seinem Tod in eine gemeinsame oberste Kriegsleitung unter der
Führung des deutschen Kaisers ein. Das konnte nie mehr rückgängig
gemacht werden. Nicht einmal die militärischen Erfolge von 1917
konnten den Zerfall der Habsburgermonarchie verhindern. Ob der
Krieg die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. war, steht zur
Diskussion.
Vortragender: Univ.-Prof. HR Dr. Manfried
Rauchensteiner: studierte Geschichte und Germanistik, bis 2005
Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien.
Totalisierungstendenzen der Kriegsführung im Ersten Weltkrieg
E. Hobsbawm sah im Ersten Weltkrieg ein völlig neuartiges Phänomen der „Kriegsführung“, den „Totalen Krieg“. Bei Kriegsbeginn zeigte sich die „Entgrenzung“ der Kriegsziele weit über den Anlassfall. Referiert werden die Auswirkungen, die der „Krieg“ auf die inneren Strukturen der Gesellschaften der kriegführenden Staaten ausübte: „Front“ und „Heimatfront“, militärisches Aktionsgebiet und „Hinterland“ wurden untrennbar miteinander verschränkt, da es der „Mobilisierung“ aller Ressourcen und Menschen für die Kriegsführung bedurfte. Damit radikalisierten sich mit der Fortdauer des Krieges die Strukturen der Repression und Gewaltanwendung. Die Saat für Bilder und Entwürfe einer neuartigen Organisation der Gesellschaften, die mit den Traditionen des liberalen Verfassungsstaates brachen, wurde gelegt.
Vortragender: Univ.-Prof. Dr. Rudolf Ardelt, ehemaliger Institutsvorstand des Instituts für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte.
Nach dem enormen internationalen Erfolg ihres 1889 veröffentlichten Antikriegsromans „Die Waffen nieder!“ entschloss sich Bertha von Suttner zur Gründung einer Österreichischen Gesellschaft für Friedensfreunde. In den Medien stieß die Initiative auf ein überaus breites Echo unter positiven und negativen Vorzeichen. Unter anderem fingen zahlreiche satirische Zeitschriften damit an, Suttners Werdegang von einer Schriftstellerin zu einer politischen Akteurin, wie auch ihre Ideen über den Weltfrieden mit überwiegend spöttischen oder sogar herabwürdigenden Karikaturen zu kommentieren.
Vortragende: Dr.in Laurie Cohen: MA, Dr.in phil. ist Historikerin und Universitäts-Lehrbeauftragte in Geschichte und Geschlechterstudien Universität Innsbruck und Universität Klagenfurt.
Vortrag via Skype aus Harvard/USA
Jahrzehntelang galt, dass die Fronterfahrungen im Ersten Weltkrieg Adolf Hitler radikalisiert, politisiert und den künftigen Diktator geschaffen habe. Hitler hatte sich zum tapferen Frontsoldaten stilisiert, dessen Freiwilligen-Regiment, eine verschworene Kampfgemeinschaft, den Keim der späteren NS-Bewegung bildete. Thomas Weber zeichnet jedoch anhand nie ausgewerteter Akten des sogenannten List-Regiments, in dem Hitler diente, ein ganz anderes Bild. Hitler war keineswegs der mutige Soldat an vorderster Front, sondern als Meldegänger meist weit hinter den Frontlinien tätig. Nicht zuletzt kann Weber zeigen, dass Hitler ebenso orientierungslos aus dem Krieg herauskam, wie er hineingegangen war.
Vortragender: Univ.-Prof. Dr. Thomas Weber: studierte Geschichte, Anglistik und Jura an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Direktor des Centre for Global Security and Governance an der University of Aberdeen sowie Fritz-Thyssen-Fellow an der Harvard University.
Der Begriff Heimatfront wird in der aktuellen Wissenschaftsdebatte
zum Ersten Weltkrieg häufig verwendet. Die Heimatfront fasst als
Sammelbegriff die Dynamik der im Hinterland agierenden und
herrschenden Gesellschaftsgruppen, Ideologien, Geschlechter,
Altersgruppen, Wirtschaftsbereiche und das Zusammenwirken und
Zusammenprallen der militärischen und zivilen Welt zusammen. Es
wird gezeigt, welche Bedeutung der Heimatfront während des Krieges
beigemessen wurde und wie sie als wichtige Stütze der
Propagandamaschinerie instrumentalisiert und für die
Kriegsinteressen mobilisiert wurde – für ein Durchhalten für
„Gott, Kaiser und Vaterland“.
Vortragende: Dr.in Julia
Walleczek-Fritz: Historikerin und Ausstellungskuratorin, 2010-2012
Stipendiatin der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Der Krieg mit seinen dramatischen Verlusten an Menschenleben und ökonomischen Ressourcen hatte eine soziale Revolution zur Folge. Alle waren davon betroffen. Die Einkommens- und Vermögensverteilung vor 1914 war extrem ungleich. Das oberste eine Prozent der Wiener Bevölkerung erzielte im Jahr 1910 mehr als 25 Prozent der Einkommen. Die Verluste durch die Kriegsanleihen, die Hyperinflation und den Zerfall der Habsburger Monarchie trafen ganz besonders die großen Vermögen und hohen Einkommen. Die sozialen Privilegien waren brüchig geworden. Während die Verluste für die Oberschichten am eklatantesten waren, stellten sie für die Unterschichten eine Existenzbedrohung dar.
Vortragender: Univ.-Prof. Dr. Roman Sandgruber: Institutsvorstand
des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Johannes
Kepler Universität Linz.
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